

NICOLAS DAUTRICOURT & JUHO POHJONEN 45
Inwiefern hat das Wiederaufleben der barocken Interpretation Ihre
Auffassung von Bachs Musik verändert?
J.P.:
Die Barockmusik ist für mich eine Welt des Überflusses und eine Form der
Großzügigkeit, was Ideen betrifft. Auf einem Cembalo spielt man Verzierungen,
aber auf einem modernen Klavier sind es subtile Nuancen, die eine strukturell
anspruchsvolle Musik bereichern. Die anregendste Arbeit auf einem modernen
Klavier betrifft einige Sätze und deren Bassnotation (für die Bassstimme werden
Ziffern notiert, die die Saiten angeben, mit welchen eine improvisierte Begleitung
entsteht). Dies ist der Fall bei der herrlichen und eindringlichenArie, Cantabile, ma
un pocoAdagio, einer früherenVersion der
Sonate Nr. 6
, die wir ebenfalls unbedingt
aufnehmen wollten.
Welche Grenzen haben Sie sich bei Ihrer Interpretation gesetzt?
N.D.:
Die Grenze ist jene des guten Geschmacks, und mein Ziel ist es, ein
Gleichgewicht zwischen Kontrolle, Melodie und Loslassen zu finden: Das ist für
mich das Geheimnis der Interpretation. Danach strebe ich, auch wenn ich auf
der Grundlage eines Jazzstandards improvisiere. Im Falle von Bachs Sonaten
ist jede Überlastung, jeder Nachdruck zu vermeiden. Die Musik braucht keine
Unterstützung.