

Diese dritte Sonate ist zudem, wie die zwei, die ihr vorausgehen,
so etwas wie ein Schmuckkasten zum Erkunden der Vielfalt von
Variationen – eine Technik, die in Brahms‘ gesamtem Oeuvre eine
zentrale Stellung einnimmt und die speziell Gegenstand von fünf
Stücken ist, von denen eines das ist, welches allein für Klavier
geschrieben wurde.
Die Ersten sind die
Variationen über ein Thema von Robert Schumann
(Opus 9,
1854). Sie sind Clara gewidmet, anlässlich der Geburt des Sohnes Felix im
Juni 1854, jener Sohn, den Schumann niemals kennenlernen und dessen
Pate Brahms sein wird. Denn Robert Schumann erlag nur einige Monate
zuvor der Krankheit, die ihn während einer zweieinhalb Jahre dauernden
Krankheitsphase und bis zu seinem Tod ans Sanatorium fesseln sollte. Clara
schreibt in ihr Tagebuch:
Er wollte meinem Herzen Trost spenden. Er hat über
jenes wunderbare und intime Thema Variationen geschrieben, das mich vor einem
Jahr, als ich gerade meine eigenen Variationen über genau dieses Thema meines
geliebten Roberts geschrieben habe, so tief beeindruckt hat. Diese Aufmerksamkeit
berührt mich sehr aufgrund dessen, was sie an Zärtlichkeit der Gedanken bedeutet
.
Von diesen
Variationen über eine Thema von Ihm, Ihr zugedacht
geht tatsächlich
eine Zärtlichkeit aus, die mal leidenschaftlich, mal verblüffend ist, in denen
sich das Herz völlig frei und dabei zugleich bewundernswert beherrscht
ausschüttet (dies trifft besonders auf die Tonartwechsel zu, die bis dahin
in dieser Form noch nicht vorgekommen waren). Diese Variationen, die
aus der künstlerischen und gefühlsbestimmten Inspiration des Ehepaares
Schumann schöpfen, öffnen Brahms die Tür zu einem wahren Labor des
Ausdrucks.
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GEOFFROY COUTEAU