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50 FRANZ LISZT

Handelt es sich bei der Légende

Saint François de Paule marchant sur les flots

um ein mystisches Werk? Und falls ja, worin besteht dann überhaupt Liszts

Mystik, und worin besteht sie in seinem Klavierwerk?

Darf man, kann man bei Franz Liszt überhaupt von Mystik sprechen?

Ich glaube nicht, dass dieser Begriff auf sein gesamtesWerkAnwendung findet. Ich ziehe

ihmden Begriff des „Glaubens“ vor, Religiosität, der Glaube, der ihren Ursprung bedeutet

und der zu der Zeit der sogenannten „Romantik“ eher als ein Ideal gelebt wurde. Den

Gefühlenwurde eine bestimmte Dimension, eine Inbrunst verliehen, die das Individuum

überstieg. Ja, eigentlich würde ich das Wort Mystik eher mit den mysteriösen oder

sogar surrealen Nebeln eines Skrjabins in Verbindung bringen. Bei Liszt sehe ich eher die

Haltung eines Menschen, der sicherlich auch Zweifel in sich trägt und Fragen, der aber

von einemabsoluten Glauben beseelt ist, mit demer den Zweifeln und Fragen begegnet,

und diese Haltung lässt keinen Raum für „mystischen Weihrauch“, wie man ihn heute

beobachten kann.

Ist die

Klaviersonate in h-Moll

das A und O des musikalischen Gedankens

ihres Autors? Wie haben Sie sich dieses Werk erarbeitet, und welche Pianisten

haben Sie dabei vielleicht inspiriert?

Ich habe lange gewartet, bevor ich mir die

Klaviersonaten in h-Moll

meiner Vorgänger

angehört habe: die Versionen anderer Meister wie zum Beispiel Vladimir Horowitz,

Alfred Brendel, Annie Fischer oder Martha Argerich, die alle so verschieden sind. Das

lag daran, dass ich sehr früh schon die

Klaviersonate in h-Moll

zu „meiner“ Geschichte

gemacht hatte, so sehr wurde ich von dem Ereignis, das ich durchlebte, getragen. Ich

suche eigentlich sonst immer bei den Älteren Rat, aber in diesem speziellen Fall machte

ich eine Erfahrung, die zu den Schönsten und auch den Merkwürdigsten zählt, die ich je

gemacht habe. Allein, auf mich gestellt mit diesemWerk, bevor ich es wagte, es mit dem

Hören anderer Versionen zu konfrontieren...