

DiegegenseitigeBewunderung, dieWagner undLiszt füreinander hegten, übersteigt
ihre familiäre Bande. Wagner reformierte das Musikdrama, während Liszt als ein
Virtuose galt, einBühnenmusiker. Doch sehr früh schonwar sichWagner sicher, dass
sein Schwiegervater –Wagner hatte in zweiter Ehe Liszts Tochter Cosima geheiratet
– ebenfalls an der Musik der Zukunft arbeitete.
Liszt schrieb Seiten aus dem
Tannhäuser
oder auch Seiten aus
Rienzi
um; es sind
Umarbeitungen, in denen das gesamteOrchester virtuos auf die Klaviatur übergeht,
und er transkribierte mit einer in der Tat verblüffenden Kunst der klanglichen
Nachahmung Schlüsselmomente aus dem
Parsifal
, dem
Geisterschiff
und aus
Tristan
und Isolde
. Das
Spinnerlied
aus dem
Fliegenden Holländer
– der Chor der Spinnerinnen,
der den zweitenAkt der Oper eröffnet und den Liszt 1860 transkribiert, wobei er das
Senta-Motiv dort auftauchen lässt – sowie
Isoldens Liebestod
(1867) sind nicht mehr
bloß virtuose Kommentare.. Sie versuchen, den musikalischen Gedanken Wagners
zu verkörpern: Liszt verleibt sich dortWagners Sprache regelrecht ein.
Diese Suche nach der reinen Musik mitten in einer Romantik, die explizit erzählend
bis beschreibend ist und deren Hauptthema die menschlichen Leidenschaften sind,
ist genau der Gegenstand des Werkes, mit dem Roger Muraro sein Liszt-Album
beginnen lässt:
Fantasie und Fuge über das Motiv B-A-C-H
.
Liszt hat es 1855 komponiert, zur Einweihung der Orgel des Merseburger Doms,
ein Instrument des Orgelbauers Friedrich Ladegast. Es ist eine Hommage an Bach,
dessen Familienname das musikalische Motiv (B, A, C, H) darstellt. Das Original
dieser Komposition für Orgel schrieb Liszt dann für das Klavier um, oder vielmehr
konzipierte er – so scheint es zumindest die Komposition nahezulegen – das Werk
parallel für beide Klaviaturen, die Kirchliche wie auch die Außerkirchliche. 1870 sollte
er die Partitur dann nochmal überarbeiten.
46 FRANZ LISZT