

INTÉGRALE DES QUATUORS À CORDES 61
und Liedern Mitteleuropas. Die Manuskripte lassen mit ihren Streichungen
und erstaunlichen Zweifeln eines Künstlers, der üblicherweise nur aufs Papier
schreibt, was er imKopf schon alsWerk vollendet hat, die Fieberhaftigkeit der
Versionen erkennen. Den Mozart muss auch die Strenge des Kontrapunkts
und die unerhörtenModelle in denGriff bekommen, die er 1782 bei der Lektüre
der Musik Johann-Sebastian Bachs entdeckt hat.
Während seiner letzten Lebensjahre vertieft Mozart dieses musikalische
Genre noch weiter, das ihm Widerstand leistet und dessen Tiefgang er
dank der Bekenntnisses von Gefühlen entdeckt. Eigentlich behält er seine
Streichquartette nur einem privaten Gebrauch vor und kann sich in keiner
Weise die öffentliche Verehrung vorstellen, zu deren Gegenstand sie in den
kommenden Jahrhunderten werden sollten!
Das „Hoffmeister“-Streichquartett (KV 499), das der einzige Fall einer
getrennten Partition bleibt, ist Ausdruck der Doppeldeutigkeit der
Emotionen, die auf ihn hereinstürzen und deren Umrisse er leichter in
seinen Klavierkonzerten verbergen kann. Auf die Spontaneität der Anläufe
und die Verwendung der Homophonie antwortet der gekonnte Einsatz des
Kontrapunkts. Ab 1786 erlaubt sich Mozart eine Ausdrucksfreiheit, die dem
den künstlerischen Anforderungen im Dienste des Fürsten unterworfenen
Haydn unmöglich ist. Indem er, wie im Adagio des Quartetts und seinen
herzzerreißenden Passagen, die Grenzen der tonalen Harmonie ohne
Unterlass ausweitet, bringt er seinWerk bis ans Tor der Welten von Schubert
und Brahms.