

Also Schumann: 15 Konzerte und einen Berg zu bezwingen, Fallen zu
umgehen, eine lange Reise ins Innere. Und Partituren, in denen man sich
verliert, derart fehlen die klassischen Regeln, an denen man sich festhalten
könnte. Und je weiter man fortschreitet, desto klarer wird eine nach
der anderen. Es besteht eine Reihe an versteckten und verschlüsselten
Verbindungen, die man wie ein Detektiv aufdecken muss. Ich suchte
Hinweise, entwirrte Indizien, verfolgte Spuren, dann andere, und verlor
in der Trunkenheit der Entdeckung jegliches Zeitgefühl. Es galt, diese
Schwingung, diese Stimmen, die das gesamteWerk durchziehen, organisch
zu erfassen. Und letztendlich in eine Schumannsche Trance zu verfallen.
Diese erreicht man nur mit gewaltiger Arbeit. Diese Musik geht man nicht
nach Lust und Laune an. Das Singen seiner Musik hat mir dabei geholfen,
Schumann zu verstehen.
Eine weitere große Schwierigkeit bestand im Aufrechterhalten meiner
Energie. Ich hatte keinen doppelten Boden. Müdigkeit durfte ich mir nicht
erlauben. Und dennoch schlief ich zwei Monate vor den Konzerten fast
nicht mehr und arbeitete wie besessen. Dieses Projekt hat aufgrund von
Schumanns Schreibweise einen äußert sportlichen Aspekt. Ich hatte das
Gefühl, alle sechs Monate an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Aber
ab einemgewissen Punkt verspürte ich keine körperlicheMüdigkeitmehr bei
der Arbeit. Live-Aufzeichnungen verlangen Disziplin im Alltag. Ich brauchte
diesen Rahmen, diese Energie. Das Publikum trugmich, gabmir Elan, Puste,
Vitalität. Ich habe nicht Glenn Goulds Seele, der ins Studio ging wie in ein
Labor. Ich muss alles ansammeln und es dann auf einmal rauslassen.
76 SCHUMANN_DAS GESAMTWERK FÜR KLAVIER, LIVE-MITSCHNITTE