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PHILIPPE BIANCONI

Der

Carnaval

ist ein paradoxes Werk, zugleich extrem„verschlüsselt“ und

doch eines der zugänglichsten des Komponisten...

Ich stelle mir gern vor, dass sich Schumann beim Komponieren dieses Werks

amüsierte. Es ist tatsächlich stark verschlüsselt, mit Andeutungen gespickt und

gehört dennoch zu den beliebtesten des Komponisten.

Die vielfältigen Stimmungen innerhalb einer großen Struktur sind darin absolut

unglaublich, und man geht sehr schnell von einem zum anderen über, was das

Publikum ganz amAnfang ein wenig verwirrt.

Wie der Titel

Scènes mignonnes sur quatre notes

(kleine Szenen über vier Noten)

andeutet, baut

Carnaval

auf denNotenASCHauf (Name desGeburtsorts der jungen

Ernestine von Fricken, in die Schumann verliebt war). Anhand dieser Noten erlaubt

sich Schumann verschiedene Kombinationen, aus denen in einer sehr originellen

Variationsgestaltung alle Stücke (außer drei) entstehen.

Scènes mignonnes sur quatre

notes

? AmAnfang des

Carnaval

weiß man nicht, welche Noten dies sind. Man muss

das Ende des achten Stücks,

Réplique

, abwarten, um die berühmten

Sphinxes

zu

entdecken, sehr lange, tiefe Noten...

Wie gehen Sie diese

Sphinxes

an?

Ich spiele sie nicht. Das bedeutet natürlich, dass der Zuhörer ausgeschlossen

wird, aber das gehört meiner Meinung nach zum Schumann-Spiel dazu – ein

mysteriöses Geschenk an den Interpreten, nicht aber an das Publikum. Ich weiß,

dass große Pianisten entschieden haben, die

Sphinxes

zu spielen. Ich für meinen Teil

bin überzeugt, dass sie nicht gespielt werden sollten. Ich behaupte nicht, Recht zu

haben, aber es ist meine tiefe Überzeugung.