Background Image
Previous Page  32 / 56 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 32 / 56 Next Page
Page Background

32 DEBUSSY_PRELUDES

ist zerbrechlich, alles zieht vorüber; und jeder von uns ist nur ein vergänglicher Zeuge der

Schönheit derWelt…

Welche Auswirkungen hat diese Wahrnehmung auf Debussys Sprache?

P. B.

: Sie ist einer der Schlüssel zu seiner Arbeit an der musikalischen Zeit. Durch sie

wird es auch möglich, den Freiheitsdrang des Komponisten zu verstehen, seine Art, mit

Vorgaben zu brechen und sich von Regeln des Tonsystems freizumachen – er verwirft

diese jedoch nicht völlig. Debussys Art zu komponieren ist ein Ausdrucksmittel, um

im Verhältnis zur stets verstreichenden Zeit zu sagen, wo man steht. Im traditionellen

Tonsystem (ich denke hierbei sowohl an die Harmonieregeln als auch ihreAuswirkungen

auf die Form) finden sich chronologische Anhaltspunkten, d.h. „bequeme“ Hinweise

für den Hörer, die den Eindruck einer gewissen Verankerung, einer gewissen Kontrolle

über die Dinge erwecken. Mit Debussy verlieren wir diesen Eindruck vollständig, und

der Mensch ist wieder konfrontiert mit seiner eigentlichen Daseinsbedingung: die Zeit,

die vergeht, gleitet ihm durch die Finger, ohne dass er daran etwas ändern könnte. Der

Mensch zieht nur vorüber und ist nur eine winzige Klammer im Unendlichen. Dieses

Gefühl des Vergänglichen bei Debussy empfinde ich immer stärker.

Wie sehen Sie die

Préludes

; die Verbindung zwischen dem ersten und

dem zweiten Band?

(1)

P.B.

: Fürmich ist es eingroßes Ganzes, selbstwenn vondemeinen zumanderenBand ein

großer Schritt geschehen ist. Das ist übrigens ein bisschen wie bei den

Images

, bei denen

der zweite Zyklus in der Suche nach der absoluten Freiheit des Klanges und in dem, was

er dann an unglaublichen Klangfarben findet, weiterreicht als der Erste.Abgesehen noch

von

Children’s Corner

bilden für mich wirklich die

Préludes

die Quintessenz von Debussys

Kunst. Dort ist die Prägnanz dasAllerwichtigste, und sie halten eine unglaublicheVielfalt

bereit: wir haben hier Stimmungsbilder, sehr langsame Stücke, sehr meditative Stücke

und wieder andere, die absolut humorvoll sind.