

PHILIPPE BIANCONI 31
Welchen Platz hat seit dieser Zeit Debussy in Ihrem Leben?
P.B.
:Er hatmich immer begleitet, auchdann, wenn er inmeinenKonzertprogrammen
nicht präsent war. Selbst in den Zeiten, wo ich ihn nicht öffentlich spielte, bin ich
immer wieder zu ihm zurückgekehrt, aus der Freude daran. Nach eingehender
Auseinandersetzung mit Brahms, Beethoven oder Schumann kehrte ich zu Debussy
zurück, um diese Natürlichkeit wiederzufinden, die unglaubliche Sensibilität für
Klangfarben. Für mich bedeutet Debussy immer schon Sensibilität und Sinnlichkeit.
Lange Zeit war es übrigens genau dieser hedonistische Charakter, der mich wohl daran
gehindert hat, die ganze Tiefe dieser Musik wahrzunehmen und die unglaublicheArbeit,
die Debussy in die musikalische Sprache gesteckt hat.
Nach und nach dann war ich von der Musik, auch über das fast körperliche Vergnügen,
das sie mir, sowohl beim Spielen als auch beim Zuhören, bescherte, hinaus, – ich denke
da jetzt auch an die Orchesterwerke, an
Pelléas et Mélisande
– zunehmend berührt, ja tief
bewegt.
Wie kam es zu dieser Entwicklung?
P. B.
: Mir ist nach und nach Debussys dunkle Seite, die mir entgangen war, als ich
jung war, immer klarer geworden. In seiner Musik liegt eine unterschwellig stets
mitlaufende Angst. In
Ce qu’a vu le vent d’ouest
bricht diese Angst dann tatsächlich hervor.
Auch
Masques
ist ein sehr schwarzes Stück. In
Des pas sur la neige
steckt ein nochmals
anderer, ebenso fesselnder Aspekt dieser dunklen Seite. Aber mir wurde klar, dass
auch Werke, die viel leuchtender sind, einen Untergrund der Angst mit sich führen, der
manchmal hervorkommt, ein bisschen wie eine aus den tiefen aufsteigenden Blase, die
die Wasseroberfläche in Bewegung setzt. Ich habe angefangen, mir darüber Gedanken
zu machen und herauszufinden, warum mich das so sehr berührte, und dann habe ich
begriffen, dass die vomStaunen durchdrungeneVision, die Debussy vonNatur und Licht,
vomWind und von der Bewegung der Wolken hat, jene Angst in sich trägt, denn seine
Wahrnehmung ist sich der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit aller Dinge bewusst. Alles