

MENAHEM PRESSLER 39
Warum haben Sie zu diesem Zeitpunkt Ihrer Karriere und Ihres Lebens
eine Gesamtausgabe von Mozarts Sonaten aufgenommen?
Ich habeMozart immer geliebt. InWahrheit hatmich Emmanuel Hondré, Leiter der
Konzert- und Veranstaltungsabteilung der Pariser Philharmonie, dazu getrieben.
Nach einemPariser Konzert zumAnlassmeines 90. Geburtstags bestand er darauf.
Zunächst dachte ich an das unglaubliche Arbeitspensum. Dann ließ ich mich von
der Idee verleiten.
Die Klaviersonaten hatte ich oft geübt, aber nicht wirklich in mein Repertoire
aufgenommen: Es galt, sie von Grund auf neu zu erlernen. Wenn man etwas
wieder erlernt, ist das nicht wie eine Auffrischung. Man muss sich neu erfinden.
Mir wird klar, dass ich im Alter abenteuerlustiger und risikofreudiger werde. Das
ist ganz logisch, denn mit der Erfahrung gehen viele Kenntnisse und Ideen einher,
die unsere Spielweise beeinflussen. In vielerlei Hinsicht erlange ich größeren
Weitblick, Tiefblick. Das Faszinierende an Mozart ist seine Ausdrucksweise in einer
universellen Sprache, die nahezu vollkommen und gleichzeitig im Leben verankert
ist: Er spricht von seinem Alltag, seinem Glück, seinem Kummer. Hier existieren
reine ästhetische Abstraktion und menschliche Gefühle nebeneinander.