

MENAHEM PRESSLER 45
Apropos, wie haben Sie sich Ihre Energie bewahrt?
Ich sitze täglich vier Stunden an meinem Instrument. Trotz der Lehrtätigkeit, der
Reisen, der Konzerte. Komme, was wolle.
Ich weiß nicht, was ich ohne Annabelle Weidenfeld wäre, die mich auf all meine
Konzerte begleitet. Sie hilft mir und gibt mir die Kraft zum Weitermachen. Das
Arbeitsumfeld ist wesentlich. So ist zum Beispiel der künstlerische Leiter dieser
Platte ein großer Musikliebhaber, der meine Liebe zu Mozart teilt. Es ist wichtig,
sich mit den richtigen Menschen zu umgeben. Auf spiritueller Ebene sind alle auf
der Suche nach Glück und persönlicher Erfüllung. Für mich gehört das Klavier dazu.
Ichmuss musizieren und weiterhin alle Repertoires spielen. Das nährt meine Seele
und hält die Flamme, die Passion am Leben.
Ist es Ihnen wichtig, das deutsche Repertoire zu vertiefen? Führt es Sie
zurück zu Ihren Wurzeln?
Alle Repertoires sind in meinen Augen gleichwertig. Ich mag Bach ebenso wie
Bartók. Ich bin in Deutschland geboren, in Israel großgeworden und habe mein
ganzes Leben in den Vereinigten Staaten gelebt und die weite Welt bereist.
Fragt man mich, wer ich bin, sage ich: ein Weltbürger. Als ich 1939 als Flüchtling
nach Palästina kam, rettete mir die Musik das Leben. Mich an die Veränderung
anzupassen, fiel mir schwer. Ichwar 16 Jahre alt. Ich bekamkeinen Bissen hinunter.
Psychisch nahm mich die Entwurzelung stark mit. Es galt, alles neu aufzubauen.
Man sprach nicht mehr dieselbe Sprache, ich hatte nicht mehr dieselben Freunde.
Diese Jahre bleiben mir als äußert schwere Zeit in Erinnerung. Zum Glück fand ich
wunderbare Lehrer, die mich stützten und meinem Leben einen Sinn gaben: Ich
wollte Musiker werden.