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In seiner Umarbeitung für Streichquartett versuchte Haydn keineswegs, die
ursprüngliche Emphase neu zu erschaffen, selbst wenn die feierliche Strahlkraft
des Stückes von Anfang an, ab dem
Maesto ed Adagio
, zu spüren ist. Er wollte, dass
gute Amateure ohne allzu große Schwierigkeiten die sieben Sätze der Partitur, die
er als „Sonaten“ bezeichnete, spielen konnten.
Schaut man genauer hin, so erkennt man, dass in demWerk klassischer Ausdruck
und barocke Struktur zusammengebracht werden. Der Barockstil nämlich trägt
den biblischen Text in seiner unveränderlichen Tradition, während die von den
Instrumenten erzeugten Klangfarben weit über die Klassik hinausgehen und ihn
bis zu seinem krönenden Abschluss führen.
Haydn bekundet hier eindeutig seinen Willen, neue Ausdrucksformen des
Erzählens, neue dramatische wie auch lyrische Ausdrucksweisen zu erproben. Er
ist sich der Form des musikalischen Anachronismus bewusst, denn zuvor wäre es
ja unvorstellbar gewesen, dass
Die sieben letzten Worten unseres Erlösers am Kreuze
für Streichquartett umgeschrieben werden, denn dem Streichquartett fiel ja per
Definition die Rolle der Unterhaltung zu.
Die Predigt des Bischofs ist also nicht länger der Hauptgegenstand der Vorstellung,
dennerwirdvondenvierInstrumentenersetzt.DieGedankenChristivonHoffnung,
Leid, Durst und Verlassenheit, aber auch von Revolte, werden nicht mehr durch
Worte ausgedrückt: Sie werden offenbar, noch bevor sie ausgesprochen sind.
In einem Text vom April 1787 erläutert Haydn seinem Verleger William Forster
genau diese Verschiebung des vokalen Ausdrucks hin zum instrumentalen
Ausdruck: „Jedweder Sonate, oder jedweder Text ist bloss durch die Instrumental
Music dergestalt ausgedruckt, das es den unerfahrensten den tiefsten Eindruck in
seiner Seel erwecket; das ganze werk dauert etwas über eine stunde, es wird aber
nach jeder Sonate etwas abgesetzt, damit man voraus den darauffolgenden Text
überlegen köne...“