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24 HAYDN

Zitieren wir einmal Haydn, der 1801 auf doch recht theatralische Art von der

Entstehung der Partitur wie folgt berichtet: „Es sind ungefähr fünfzehn Jahre, dass

ich von einem Domherrn in Cadix ersucht wurde, eine Instrumentalmusik auf die

siebenWorte Jesu am Kreuze zu verfertigen. Man pflegte damals, alle Jahre während

der Fastenzeit in der Hauptkirche zu Cadix ein Oratorium aufzuführen, zu dessen

verstärktenWirkung folgendeAnstalten nichtwenig beytragenmussten. DieWände,

Fenster und Pfeiler der Kirche waren nehmlichmit schwarzemTuche überzogen, und

nur Eine, in der Mitte hängende grosse Lampe erleuchtete das heilige Dunkel. Zur

Mittagsstunde wurden alle Thüren geschlossen; jetzt begann die Musik. Nach einem

zweckmässigen Vorspiele bestieg der Bischof die Kanzel, sprach eines der sieben

Worte aus, und stellte eine Betrachtung darüber an. So wie sie geendiget war, stieg

er von der Kanzel herab, und fiel knieend vor dem Altare nieder. Diese Pause wurde

von der Musik ausgefüllt. Der Bischof betrat und verlies zum zweyten, drittenmale

u.s.w. die Kanzel, und jedesmal fiel das Orchester nach demSchlusse der Redewieder

ein. Dieser Darstellung musste meine Composition angemessen seyn.“

ImWinter 1786-1787, als Haydn gerade imDienste des Fürsten Esterházy stand, nahm

er die Herausforderung an. Er arbeitete an der Komposition der sieben Adagios für

Orchester, denen eine Einleitung vorangestellt war, so dass sie die Kommentare

des Prälaten verlängerten, während dieser von der Kanzel stieg, um sich vor dem

Kreuz zu verneigen. Das Schlussstück sollte dann das Erdbeben beim Tode Christi

heraufbeschwören. Der Ablauf desWerks, den man ihm übermittelt hatte, war ganz

besonders präzise, wie eine Art Protokoll bzw. detaillierte Anweisung.

Mehreren Gesprächspartnern gegenüber schilderte Haydn seine Schwierigkeiten

damit: „Die Aufgabe, sieben Adagio’s, wovon jedes gegen zehn Minuten dauern

sollte, aufeinander folgen zu lassen, ohne den Zuhörer zu ermüden, war keine von

den leichtesten; und ich fand bald, daß ich mich an den vorgeschriebenen Zeitraum

nicht binden konnte…“. Dennoch reichte er die Auftragsarbeit pünktlich ein, so dass

sie in Cadix zur Aufführung kommen konnte, aber auch zur Fastenzeit 1787 in der

Wiener Schlosskirche.