

DIE SECHS STREICHQUINTETTER 59
UnzähligeQuartette gab es, nicht nur vonHaydn, doch hatten nur die Italiener
angefangen, sich der Quintette anzunehmen. Vor allem Boccherini, der ihrer
nicht weniger als hundertfünfzig schrieb! Mozart mag einige davon gekannt
haben, aber das ist nicht sicher.Wir wissen jedoch, wer die Komposition seines
ersten Quintetts
KV174
ausgelöst hat. Unter den Augen Mozarts ruhte ein
Notturno
in C-Dur, in Wahrheit ein Quintett für zwei Geigen, zwei Bratschen
und ein Cello, komponiert im Februar 1773 von Michael Haydn, dem jungen
Bruder Josephs, der gerade in Salzburg angekommen war. Und wieder greift
das Nacheifern: Wolfgang Amadeus stürzt sich in ein
Quintett
in B-Dur. Von
diesemWerk gibt es zwei Versionen, da der jüngere Haydn ihm einige Monate
später ein zweites Notturno zeigt; da denkt sich unser junger Komponist,
dass er es, sich davon inspirieren lassend und unter Wideraufnahme einiger
Kompositionstechniken, wohl noch besser machen kann; so schreibt er auch
nochmals das Trio des
Minuettos
und überarbeitet den Schlusssatz. Es ist
wohl überflüssig zu erwähnen, dass seine Partitur mit ganz anderenWassern
gewaschen ist als die seines Freundes. Die Möglichkeiten, die diese neue
Gestaltung ihm(undübrigens auchMichael Haydn) bietet, schienenbesonders
stimulierend für ihn zu sein: anstatt wie im Quartett der ersten Geige die
Hauptrolle zuzuschreiben, kann er sich hier daran erquicken, die erste Geige
mit der ersten Bratsche in einen Dialog treten zu lassen und die Echoeffekte zu
verstärken. DasWerk hat seine besonders schönenMomentewie zumBeispiel
das Adagio mit seinen Effekten des Tonabdämpfens oder den Schlusssatz,
dessenEntwicklung reichanÜberraschungen ist (eineQuasi-Wiederaufnahme
des ersten Themas). Es ist ganz offensichtlich, dass der junge Komponist sich
einen Spaß daraus gemacht hat, die fünf Streicher zumEinsatz zu bringen und
dabei doch ganz demGeiste der Galanterie treu zu bleiben.
Dieses Quintett ist liebenswert und gefällig wie viele Seiten aus der Jugendzeit
vonAmadeus.