

72 CHOPIN_POLONIA
Sie haben mit den Pianisten György Cziffra und Lazar Berman
zusammengearbeitet, die Lisztianer sind, aber auch Chopin angegangen
sind. Was haben sie Ihnen über den Komponisten der
Polonaises
gelehrt?
Bei Cziffra haben wir uns vor allem von einer Gefühlswelle mitreißen lassen. Er
sprach im Unterricht nicht viel, also hörten wir ihm zu und imitierten ihn sogar,
was für Kinder übrigens sehr gut ist, weil man alles nimmt und dann zunehmend
ausdünnt. Nichts nahm uns die Freiheit. Man hatte das Gefühl, von Chopin
durchströmt zu werden, wie Cziffra selbst. Diese Lehrmethode, die nichts mit
der des Conservatoire zu tun hatte und eine ausgezeichnete Ergänzung zu ihr
darstellte, hat sich für mich als unentbehrlich erwiesen. Alles war immer möglich.
Wir arbeiteten an einem Tag so und am nächsten ganz anders. Wir vertrauten
auf Intuition, den Augenblick. So gaben die Werke ihre ganze Komplexität, ihren
Reichtum preis. Die Musik war nie identisch.
Bei Lazar Berman war es ganz anders. Er hat mich nur kurz unterrichtet, während
eines Kurses. Ich erinnere mich, dass er viel von Klang sprach, von der Tiefe und
dem Schwung des Klangs. Er hasste die Pianisten, die immer mezzoforte spielen.
Er wollte Kontraste, Leben. Das half mir, mein Bild eines zu gemäßigten Chopins zu
überwinden. SeineAufzeichnung der
Polonaises
hat fast orchestrale Eigenschaften.