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PASCAL AMOYEL 29

Er zählt sicher zu den Vergessenen der Musikgeschichte, er, den Liszt bewunderte

und den Hans von Bülow den „Berlioz des Klaviers“ nannte; Charles-Valentin

Alkan ist der Komponist der schwärmerischen und einsamen Seelen, er ist das

bestgehütete Geheimnis der französischen Romantik.

Ein Virtuose auf demKlavier, hochbegabt und verletzlich, ein sehr anspruchsvoller

Komponist voller Erfindungsreichtum, ein Umgetriebener, dessen Werk ebenso

leidenschaftlich wie schillernd ist: Alkan fasziniert durch das Geheimnis, das sich

um sein Leben und sein Werk rankt, denn nach einem umwerfenden Start hat er

sich aus der Gesellschaft zurückgezogen und Zuflucht gefunden in seiner ihm

eigenen, inneren Welt.

Busoni erinnert sich, wie er den jungen Virtuosen Bach und Beethoven auf einem Erard

Klavier hat spielen hören: „Ich habe zugehört, wie angewurzelt und gepackt von dem

ausdrucksstarken, kristallklaren, ja transparenten Spiel“. Von Seinesgleichen verehrt und

vom Publikum verkannt, weitab der Unrast seines Jahrhunderts, hinterlässt uns dieser

Menschenfeind einen riesigen Werkkatalog, in dem vom Gigantischen (

Sonate des Quatre

Âges

) bis zur hochausgefeilten Miniatur alles zu finden ist.

Lediglich die Neugierigen und Unangepassten unter den Künstlern befragen die Welt

dieses Romantikers, der 1813 geboren wurde, dem Geburtsjahr Wagners und Verdis –

erdrückende Schatten. In Frankreich kommt einem die Hingabe des Pianisten Bernard

Ringeissen in den Sinn, der, gegen Ende der siebziger Jahre, eine ganz Reihe von Plattenmit

seiner Musik aufgenommen hatte. Der Amerikaner Raymond Lewenthal machte Alkan zu

einem seiner Lieblingskomponisten, um – nach einemÜberfall im Central Park und sieben

Knochenbrüchen in den Händen – die Technik wiederzufinden. Die Zahl seiner glühenden

Bewunderer ist nach wie vor gering. Der Pianist Pascal Amoyel verteidigt seit vielen Jahren

die Musik Alkans, den er neben Liszt, Chopin und Skrjabin stellt. Er hat bereits zusammen

mit Emanuelle Betrand die

Sonate pour violoncelle et piano

eingespielt; nun feiert er die

Zweihundertjahrfeier der Geburt jenes großen Vergessenen, und was er uns schenkt, ist

ein musikalischer Ausweis dieses verzweifelten Virtuosen, der durch sein beunruhigendes

und poetischesWerk hindurch erklingt.