

30 CHARLES-VALENTINALKAN
Esheißt,dasWerkAlkans sei berühmt-berüchtigt für seineVirtuosität.
Stimmt das?
Ja, das stimmt. Und man stößt in seinem Werk auf alle Arten von Schwierigkeiten.
Zunächst ist da die Virtuosität der Finger, die niemals willkürlich ist, und immer
schwindelerregend, mit vielen Spreizungen, extremweitangelegten Sprüngen und sehr
schnellen Läufen.
Zudem fordert das Werk Alkans viel Durchhaltevermögen, sowohl geistig als auch
körperlich. Seine Art, Musik zu schreiben, verändert sich stetig, Wiederholungen sind
niemals identisch, undoft überlagern sichdieMotive.ObwohlAlkanpraktischnur für das
Klavier komponiert hat, geht seine Vision des Klaviers weit über den einfachen Rahmen
des Instruments hinaus. Er hat übrigens eine Symphonie für Klavier geschrieben, ein
Konzert für Solo-Klavier.
Man sollte auch noch hinzufügen, dass es bei Alkan so etwas wie eine Virtuosität der
Notenschrift gibt. Bisweilen erscheinen manche Dinge unspielbar, dermaßen hoch ist
die Anzahl der Angaben in der Partitur. Genau wie Beethoven, so ist auch Alkan sehr
akribisch, fast schon pedantisch. Er notiert jedes Tempo, macht präzise Anweisungen
zum Beschleunigen, fügt ungeheuer viele Zitate ein, und seine Kompositionen strotzen
nur so vor Noten, es wimmelt oft vonVorzeichen, die Fingersätze erscheinenmanchmal
so unwahrscheinlich, doch stehen sie stets inVerbindungmit der musikalischenAbsicht,
der Tonumfang ist bisweilen gigantisch, von ganz hoch oben bis ganz hinunter in die
tiefsten Lagen. Seine Art, das Klavier zu begreifen, ist quasi symphonisch. Alkan sucht
nach orchestralen, nach unerhörten Klangeffekten. Es ist übrigens äußerst kniffelig und
absolutfaszinierendzuversuchen,aufeinemmodernenInstrumentdieAusgewogenheit
der Erard Klaviere zu ergründen, die auf ganz natürliche Art die Klarheit der extremen,
auf zeitgleiches Spiel angelegten Stimmlagen, die dem Komponisten so sehr amHerzen
lagen, wiedergeben.