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Welchen Stil verfolgen Sie, wie war Ihr Vorhaben?
Welches Repertoire ich mir auch immer vornehme, stets gilt dem Klang meine
oberste Priorität. Ich bin auf der Suche nach dem, was der Pianist Samson François
die „note bleue“, dass heißt die richtige Note zum richtigen Zeitpunkt, genannt hat.
Die Note in voller Entfaltung. Hat man erst einmal den Klang gemeistert, so kann
man auch den Diskurs kontrollieren, den Schwung der musikalischen Phrase. Die
Erfahrung der CD-Einspielung dann erlaubt es, bei dieser Suche noch weiter zu
gehen. Paradoxerweise ist die Platteneinspielung verantwortlich für eine gewisse
Klangvereinheitlichung. Als ich jung war, habe ich die größten Pianisten an ihrer
Klangfarbe erkannt. Heutzutage wird das Klavierspiel bedauerlicherweise von
einer Form der Linearität bestimmt.
Die Musik von Chopin stellt einen vor das Problem des Rubatos.
Wie gelangt man zu einer guten Ausgewogenheit?
Ich bin von einem Grundsatz geleitet: Das Rubato darf die Raum-Zeit nicht
verzerren, es darf nicht Rhythmus und Puls verformen. Die Freiheit spielt sich
innerhalb dieses raum-zeitlichen Rahmens ab, dort kommt sie zum Ausdruck.
Diese Regel wende ich auch auf meine Arbeit amKlang an: Ich versuche, den Klang
zu gestalten, um damit die musikalische Phrase zu modellieren, so dass jede Note
ihr spezifisches Gewicht erhält.
JEAN-PHILIPPE COLLARD