

GARY HOFFMAN 63
Wie sind Sie die große Zeitspanne angegangen, nahezu ein
Vierteljahrhundert, die die beiden
Sonaten
trennt?
Ich habe alle Kammermusikstücke von Brahms gespielt, daher nehme ich
die beiden
Sonaten
als Teil dieses großen Ganzen wahr. Natürlich weisen die
beiden Werke große Unterschiede auf: die Schreibweise für das Cello, die
Beziehung zum Klavier, der jeweilige Aufbau der
Sonaten
– all das ist vollkommen
verschieden. Beim Spielen der
Trios
,
Sextette
,
Quintette
und Celloteile der
Sinfonien
in Studentenorchestern wurde mir jedoch klar, dass all diese Werke viele
Übereinstimmungen bei den verschiedenen Schreibweisen für mein Instrument
aufweisen. So hallt für mich zum Beispiel in der
Sonate e-Moll
das
Sextett G-Dur
wider. Der Anfang des ersten Themas des ersten Satzes erinnert mich an die
Variationen des dritten Satzes im
Sextett
. Wenn ich Meisterkurse gebe, stelle
ich fest, dass Schüler, die die
Sonate e-Moll
vorbereitet haben, das
Sextett G-Dur
nicht kennen, obwohl Brahms’ Kammermusik ein einziges verflochtenes Gefüge,
sozusagen eine einzigeWelt ist. Die
zweite Sonate
ist dem
Trio
op. 101 oder der
dritten
Sinfonie
sehr ähnlich. Kennt man all dies, versteht man die innere Funktionsweise
dieser Musik besser. Das Spielen so vielerWerke von Brahms, die zwischen diesen
beiden zeitlichweit auseinanderliegenden Sonaten komponiert wurden, hat eine
gegenteiligeWirkung: Sie scheinen gar nicht so unterschiedlich.