

GARY HOFFMAN 55
Brahms leitete das Thema dieses ersten Satzes voller Archaismen aus dem
Contrapunctus 3
der
Kunst der Fuge
her. Im Finale, das an
Contrapunctus 13
erinnert,
kehrte er zu Bach zurück. Zudem scheint im gesamten Werk ein gewisser
Fugencharakter durch, dochwas die Farben betrifft, die harmonische Komplexität,
den Diskurs, in dem die Register von einem Instrument zum anderen wechseln,
wobei stets eins ganz klar das andere beherrscht, wie könnte man da nicht den
Einfluss des
Zweiten Sextetts
bemerken, an dem Brahms ebenfalls arbeitete?
Brahms beendete die beiden ungleichen Zwillinge 1865. Der zweite Satz mit der
BezeichnungAllegretto ist einMenuett – leicht, schwebend, wie von einem zarten
Passepied davongetragen. Er mutet wie ein Watteau und ein Trio an, dessen
Ländler endlos unterbrochen wird – eine weitere Erinnerung an die Barockmusik,
die eine ständige Inspirationsquelle für Brahms war, während das Finale eine
großartige Fuge verkündet, welche unerbittlich zu einer rasenden Coda führt, die
den Bogen erschöpft.
Brahms schrieb das Werk für Josef Gänsbacher, Gesangslehrer und gelegentlicher
Cellist, aber warnte ihn: Sein neues Werk würde das Klavier nicht zur Begleitung
herabstufen, sondern ihm eine ebenso entscheidende Rolle geben, wie es
Beethoven in seinen eigenen Sonaten getan hatte. Bei der Uraufführung in der
Traulichkeit eines Salons bat Gänsbacher Brahms, leiser zu spielen, da er sich
selbst nicht hörte. Darauf erwiderte Brahms: „Glückspilz.“ Als die Partitur dem
Verlag Breitkopf &Härtel angebotenwurde, ging sie an denAbsender zurück, doch
Simrock veröffentlichte sie ohne zu zögern 1866.