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26 TRANSKRIPTIONEN & PARAPHRASEN Ich entdeckte Die erste Walpurgisnacht, eine Kantate für Soli, Chor und Orchester von Felix Mendelssohn während meines ersten Studienjahrs an der Musikhochschule Köln. Chorgesang gehörte zu den Pflichtfächern für die Neuankömmlinge. So fand ich mich im Chor wieder. Das Werk ist von einem Gedicht Goethes inspiriert, dessen Gastgeber und Freund der junge Mendelssohn war, und beschreibt die Versuche der Druiden, trotz des aufkommenden Christentums heidnische Rituale zu vollführen. Fand Mendelssohn, der jüdische Wurzeln hatte, jedoch zum Protestantismus gewechselt war, im Text über eine unterdrückte Minderheit einen Spiegel seiner eigenen Situation? Oder zog ihn die fantastische Farbe an, die Stimmung der Ballade, die über dem Werk schwebt und die vor allem im exzentrischen und diabolischen Scherzo zum Vorschein kommt? Rimski-Korsakows Scheherazade ist das Meisterwerk eines Orchesterzauberers, der nur wenig fürs Klavier komponierte. Der Verweis auf Tausendundeine Nacht ist vielschichtig: die musikalische Heraufbeschwörung eines imaginären Orients, der Luxus einer schillernden Orchestrierung und eine gewisse strukturelle Übereinstimmung mit dem literarischen Modell (eine „Märchenreihe“, unterbrochen von einer Erzählung, in der man nicht umhinkommt, Scheherazades überzeugenden Charme zu erkennen). Ich habe mich bemüht, das Wesen des Werks trotz der Straffung beizubehalten und mit rein pianistischen Mitteln Rimski-Korsakows üppiges Orchester widerzugeben.

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