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36 LISZT • INSPIRATIONS Farbspiele, die auch in Saint-Saëns Orgeltranskription der Vogelpredigt des Heiligen Franz von Assisi zu entdecken sind… Die Originalpartitur, eine der beiden Legenden , stammt aus dem Jahre 1863, und Liszt soll sich von den Tausenden Spatzen auf dem Römer Monte Mario inspiriert haben lassen. Das Klavier stellt zugleich Dekor und Geschichte, Natur und Ungreifbares, Porträt und Wort dar. Wie steht es um die Orgelfassung? Auch hier tauchen wir vollends in den Traumkontext ein, dank der von der Orgel dargebotenen Allegorie der Klangfarben. Saint-Saëns, der unter anderem Titularorganist der Pariser Pfarrkirche La Madeleine war, wusste die Möglichkeiten der Orgel bewundernswert auszuschöpfen. Zu Beginn des Stücks, um die auf den Manualen der damaligen Orgeln fehlenden Noten wettzumachen, transponierte er den Text eine Oktave tiefer und bot eine Registrierung, die die erforderliche Stimmlage wiederherstellte. Höchst geschickt. An anderer Stelle werden die großen Arpeggien des Pianos, die den Heiligen Franz von Assisi verkörpern, auf der Orgel zu vollstimmigen und breiten Akkorden. IchhattegroßenSpaßdabei, Saint-Saëns‘ Angabenauszuschmücken, um mit viel Fantasie das Zwitschern der Vögel und alle Verzierungen der Musik wiederzufinden. Habe ich mich dabei bewusst oder unbewusst auf die Farben berufen, die Olivier Messiaen in seinen Vogelgesängen erklingen lässt? Gut möglich…

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