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OLIVIER LATRY 35 Zwischen 1859 und 1862 verlor Liszt zwei seiner Kinder, Daniel und Blandine. Diese Dramen schlugen sich auf die Variationen über „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ nieder, in denen sich der Komponist auflehnt und schließlich resigniert. Wie ist die Partitur aufgebaut? Der erste Teil von „ Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen “, basierend auf der gleichnamigen Kantate BWV 12 und Crucifixus der h-Moll-Messe , nimmt in Liszts Konzept eine extreme Wucht an und greift Dantes Hölle aus der Göttlichen Komödie auf, die so stark im musikalischen Gedanken des Komponisten verankert war. Hier treffen die Welt der Literatur mit ihrem profanen Aspekt und die Welt der Religion aufeinander. Das zentrale Rezitativ greift hingegen Via Crucis vor, einem Stück von 1874, das von den 14 Stationen des Kreuzwegs inspiriert ist. Der Passion und den Dramen wird im Schluss des Werks Hoffnung entgegengesetzt: Der Choral „Was Gott tut, das ist wohlgetan“ lässt erstmals seit Beginn des Stücks die Tonart F-Dur hervorbrechen und bringt ein außerordentliches Gefühl der Befreiung mit sich. Der Musiker, ein frommer Katholik, nutzte hier einen lutherischen Choral als Symbol der Resignation, die im Glauben Trost findet. Marcel Dupré ging in seiner Bearbeitung aus dem Jahre 1948 ähnlich vor wie viel später Jean Guillou. Die Klavier- und Orgeltechniken verschmolzen, aber Dupré erlaubte sich einige Freiheiten, was das Stück eher zum Arrangement als zur Transkription macht. Zudem ist unsicher, ob Dupré es selbst in dieser Form gespielt hat. Er hatte das Manuskript einem amerikanischen Organisten geschenkt, und es wurde erst kürzlich veröffentlicht.
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