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Am 22. Januar 1859 wurde Brahms‘ 1. Klavierkonzert in d-Moll op. 15 unter der Leitung von Joseph Joachim und mit dem Komponisten selbst am Klavier in Hannover uraufgeführt. Das Publikum schien sich größtenteils zu langweilen. Das Werk erschien „unverständlich, sogar trocken und zum Teile in hohem Grade ermüdend“, so die lokale Kritik. Als es fünf Tage darauf vom Gewandhausorchester in Leipzig unter Ferdinand Davids Leitung erneut aufgeführt wurde, verzeichnete Brahms die bitterste Niederlage seines Lebens und seiner Karriere. Nach eigener Aussage war das Klavierkonzert „glänzend und entschieden [durchgefallen]“. Der Leipziger Kritiker sprach von „Öde und Dürre“ und „ungegorener Masse“ ohne „effektvolle Behandlung des Pianoforte“, welche „von einer dichten orchestralen Begleitungskruste niedergehalten und zusammengequetscht“ wurde. Ein anderer beharrte auf die Monstrosität des ersten Satzes, bemerkte aber auch die neuen Klangeffekte und den Willen Brahms‘ das Orchester auf derselben Ebene wie das Obligato-Instrument zu behandeln – ein recht schwaches Lob… Wie war Brahms an diesen Punkt gelangt? Betrachten wir die Entstehung des Konzerts, die ebenso abenteuerlich wie das Werk selbst ist… Der 20-jährige Brahms traf Schumann erstmals am 30. September 1853. Letzterer war Feuer und Flamme („Besuch von Brahms. Ein Genie!“, „der wahre Apostel“) und sah in seinen Ersten Klaviersonaten „verschleierte Sinfonien…“. Ein Kompliment seitens Schumann und eine Erfolgsformel, die jedoch zu hartnäckigen Missverständnissen beim Empfang der beiden Klavierkonzerte führte. Schumann projizierte seine eigenen Komplexe bezüglich Beethoven auf Brahms und drängte den jungen Mann zur Komposition einer Sinfonie. Doch Beethovens Vorbild erdrückte Brahms ebenso wie Schumann, und so bewerkstelligte er es erst nach 22 Jahren.
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