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FLORIAN NOACK 41 Es ist sozusagen ein verbrüdertes Werk eines Mannes, der seinen Vorfahren so sehr bewunderte, dass er sein Leben dem Weiterführen dessen Werks widmete und es durch seine eigene Stimme aufleben ließ. In diesem Sinne entfernte sich Ljapunow nicht, so scheint mir, vom Ideal der Transzendenz, wie Liszt es in seinen Etüden verstand: eine Art Verwandlung der unzugänglichsten Schwierigkeit in die seltenste Poesie, die sich nur an der äußersten Grenze der Klaviertechnik erlangen lässt. Doch die Ähnlichkeit der beiden Zyklen täuscht. Ebenso wie Brüder Züge teilen, offenbart die Ähnlichkeit auch ihre Unterschiede. Der eine leiht sich beim anderen zwar zahlreiche Vorgehensweisen, besonders was die pianistische Schreibweise angeht, jedoch sind die Musik und die von ihr offenbarte Persönlichkeit völlig anders, und dies gleich ab dem ersten Stück: Was haben Liszts ungestümes Preludio und Ljapunows fragile Berceuse gemein? Im Übrigen gibt es für keine der beiden Stücke ein wirkliches Gegenstück beim anderen. Beim zweifelsohne introvertierten Ljapunow findet sich kein wahres Pendant zum Presto furioso der Wilden Jagd und zum rasanten Ritt von Mazeppa . Folklore hingegen ist in Liszts Zyklus nicht zu finden, bei Ljapunow allerdings reichlich: der Kaukasus in Terek und Lesghinka , das orthodoxe Russland in Carillon und Chant épique und in der Tat im Stück Élégie , das die Widmung an Liszt nutzt, um den Zigeunerstil anklingen zu lassen.

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