LDV88-9
31 DAVID GRIMAL Gibt es unter den Sonaten und Partiten Stücke, die Sie bevorzugen? Einige sind „bequemer“ als andere, die eher intellektuelle Abstraktionen sind. Diese Abstraktion ist manchmal völlig verrückt! Das trifft auf die Suiten für Violoncello nicht zu. Sie sind viel zugänglicher für die Interpreten und die Zuhörer. Am Ende eines Konzerts spiele ich keine großen Fugen als Zugabe, obwohl ich sie liebend gern zu Hause spiele. Ich denke, dass das Publikum eher eine Sarabande oder einen langsamen Satz erwartet, die entweder schwungvoller und unmittelbarer oder zarter und inniger sind, was den Kontakt fördert. Auch da ist die Chaconne ein Sonderfall, denn trotz ihrer Ausmaße bleibt sie zugänglich und reißt die Leute durch ihre Schönheit und Menschlichkeit mit. An der Kreuzung zwischen dem Heiligen und dem Profanen, zwischen dem Immerwährenden und dem Alltäglichen… Bei Bach ist das Kunsthandwerk das Heilige. Der Alltag, am Brunnen Wasser holen, Gemüse ernten und abends zu Bett gehen – all das ist spirituell. In Indien habe ich diese Verbindung zwischen dem Spirituellen und dem Säkulären bereits gespürt. In unserer Zeit, in der Religion oft als rückschrittliche und manchmal heftige Ablehnung der Welt zum Ausdruck kommt, erklärt uns Bach noch das Universum, aber zelebriert auch das Unergründliche. Der Mensch bildete eine Einheit mit der Welt und der Zeit.
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