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50 SCHOSTAKOWITSCH • WEINBERG Wo sind die Ähnlichkeiten und Unterschiede am frappierendsten? Joseph — Schostakowitsch ist in seinen Trios stärker in der Wirklichkeit verankert und konkreter, woWeinberg bildhaft ist. Weinbergs Trio mutet wie einmusikalisches Fresko an. Wenn man es spielt, meint man, eine Reihe an Gemälden vorbeiziehen zu sehen, so evokativ sind die Stimmungen. Weinberg scheint den rhythmischen Tropismus noch ein Stück weiterzutreiben. In dieser Hinsicht ist es noch extremer. Victor — Und dennoch: Die Schreibweise ist sich recht ähnlich: Weinbergs Trio und Schostakowitschs Zweites Trio haben vier Sätze; die zwei Scherzi sind quasi Toccaten. In Weinbergs großem langsamen Satz namens „Poem“ finden sich einige Akkorde, die ganz klar von Schostakowitsch inspiriert sind. Und die letzten Sätze sind beide sehr lang und extrem heftig. Vielleicht noch mehr in Weinbergs Trio , wo zwölf Minuten lang heilloses Durcheinander herrscht. Wie geht man ein Werk an, das so wenig bekannt ist und so selten eingespielt wurde wie Weinbergs Trio ? Victor — Weinbergs Trio wurde in der Tat selten eingespielt. Bei Schostakowitsch sind die legendären Aufnahmen unzählbar – darunter auch die beiden Versionen mit dem Komponisten selbst am Klavier. Obwohl die bestehenden Aufnahmen untereinander sehr verschieden sein können (insbesondere bezüglich der Tempi), ist es deutlich einfacher, seinen eigenen Weg auf bereits abgestecktem Terrain zu finden. Bei Weinberg ist es einschüchternder, da man seine eigene Version auf Brachland bauen muss.
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