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48 BEETHOVEN_ KLAVIERSONATEN NR. 21 & NR. 29 Beethoven befreit sich, indem er ganz einfache Bausteine verwendet: ein simples Terzintervall, das sich durch das gesamte Stück zieht. Aus der Einschränkung erwächst eine unglaubliche Freiheit. Er beugt die Form seinemWillen. Eine schöne Geste, nicht? Ich bin sehr empfänglich für Form. Oft herrscht ein Missverständnis zwischen Struktur und Emotion. Wenn es eine Form gibt, heißt das längst nicht, dass es nicht bewegend ist. Beethoven schöpft unsichtbareVerbindungen und Strukturen, die uns im Laufe der Zeit unterbewusst viel tiefer anrühren. Einige Komponisten sind weitaus lyrischer, jedoch auf Kosten des Zusammenhangs – das zermürbt auf lange Sicht. Beethovens Musik schmeichelt nicht, sie begleitet uns. Würden Sie sagen, dass Beethovens Klavier orchestral ist? Die ersten Sonaten sind es, unumstritten. Aber die Hammerklaviersonate mit Orchester? Siewäre unmöglich genauso kraftvoll. Sie ist stark imKlavier verankert. Hat sich die Kammermusikpraxis und -erfahrung geändert und Ihre Interpretation dieser Sonaten gewandelt? IchbindieMusik eines Komponisten immer über seineKammermusik angegangen. Außer zum Beispiel bei Chopin ist das meine allgemeine Herangehensweise. Ich habe Rachmaninowentdeckt und verstanden, als ich an seiner Sonate fürVioloncello und Klavier arbeitete. Ich muss in die Musik eintauchen und sie teilen, bevor ich sie allein am Klavier angehen kann. Bei Beethoven habe ich alle Cellosonaten mehrmals gespielt, ebenso die Violinsonaten.
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