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Sind diese Sonaten mit Paganinis Capricci zu vergleichen, zumindest aus Sicht der Virtuosität? Paganini war ein außerordentlicher Violinist mit langen und dehnbaren Fingern. Die von ihm in seinen Werken entwickelte Virtuosität stellt die natürliche Verlängerung seiner außergewöhnlichen und einzigartigen Fähigkeiten dar. Wer häufig Paganini spielt, hat nicht unbedingt leichter Zugang zum Rest des Repertoires wie Beethoven, Schumann oder Schubert, um in der Zeit zu bleiben. Die meisten großen Violinisten spielen selten oder gar nicht Paganini (im Konzert). Oft heißt es, dass Paganini die Komposition revolutioniert und das Paradigma des Interpreten auf den Kopf gestellt hat. Dies stimmt, doch ihn schadlos zu spielen erfordert besondere körperliche Fähigkeiten, die nicht jedem gegeben sind. Spielt man im Gegensatz dazu Ysaÿe und Brahms’ oder Sibelius’ Konzerte, fühlt man sich wie zu Hause. Ysaÿes Technik ist die Verlängerung von Wieniawskis und Vieuxtemps’ Unterricht und steht sowohl im Dienste der Musik als auch des Instruments: Sie ist universell und harmoniert mit der Geige und dem Rest des Repertoires. 52 YSAŸE ∙ 6 SONATEN FÜR VIOLINE SOLO OP. 27

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