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PHILIPPE CASSARD, ANNE GASTINEL, DAVID GRIMAL 41 Hat sich Ihre Wahrnehmung von Beethoven verändert, als Sie so tief in seine Welt eintauchten? Philippe Cassard: Dank dem Projekt konnte ich mich mit gewissen Facetten der Musik Beethovens vertraut machen, die ich zuvor nicht erahnte. Natürlich ist es kein Zufall, dass so oft vomäußerst strukturiertenAufbau seinerWerke gesprochen wird: Das stimmt absolut, und ich möchte es ihm nicht absprechen, aber darüber hinaus gibt es noch viel mehr. Alswir andenTrios arbeiteten, fiel uns vermehrt Beethovens Lyrikauf, insbesondere die reichlicheVerwendungderAngaben dolce und cantabile . So sehr, dass esmir beim Spielendes langsamen Satzes Andante des „Erzherzog-Trios“manchmal schwerfällt, etwas Distanz zu wahren. Diese ist absolut notwendig, denn ohne sie würde man angesichts der von dieser Musik ausgehenden Zärtlichkeit dahinschmelzen! Zwar ist der Satz in Dur, doch die innerste, einsamste Stimme des Komponisten ist darin zu hören. Undwenn Beethoven bis in sein Innerstes vordringt, ist es ergreifend und herzzerreißend! Anne Gastinel: Ich habe stets den Eindruck, dass man versucht, Beethoven auf die „Vertikalität“ seiner Schreibweise zu beschränken. Je weiter ich ins Repertoire vordringe, scheint mir allerdings, dass diese Vertikalität nur insofern wichtig ist, als sie das „Fundament“ des Rests bildet, und dass es gilt, damit Farben und Stimmungen herauszubilden und bestimmte Melodien zu untermalen… Einige Passagen in den langsamen tragen einen besonders fort. Man muss es wagen, diesen Aspekt der Musik Beethovens zu verteidigen, auch wenn er oft ausgeklammert wird!
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