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66 PROKOFJEW | COWELL Sie sprachen von den französischen Einflüssen in Prokofjews Musik. Denken Sie nicht zunächst an das russische Vermächtnis? Seltsamerweise sehe ich in dieser Musik keine Verbindung mit beispielsweise Tschaikowski, der immerhin der Verfasser dreier berühmter Ballette war. Allerdings erinnert eine gewisse Ironie und Härte in der Sprache an Schostakowitschs berühmte Suite für Jazzorchester Nr. 2 . Ich denke an die Episode, in der Cinderella auf denBall geht.Aber Prokofjews Schreibweise ist genauer als die seines Landsmannes. Sie haben auch mit Orchesterpartituren gearbeitet. Welche Entscheidungen mussten Sie dabei bezüglich Phrasierung, Tempi und Dynamik treffen? Ich möchte gern unterstreichen, dass meine Methode nicht auf Transkription beruht. Ich spiele das, was Prokofjew komponiert hat. Am Klavier denke ich natürlich an das Orchester und ganz besonders an die richtige Dynamik. Ob die gar nicht so wichtig in diesem Ballett sind? „Forte“ am Klavier bedeutet „laut“…Aber beimOrchester?Dort kannes „weiter ausholend“ heißenunddieKlangfarbenpalette beachtlich erweitern. Dasselbe gilt, wenn Prokofjew auf der Partitur „staccato“ angibt und sogleich „mit Eleganz“ dazuschreibt – da sind wir nicht weit vom Oxymoron entfernt… Der Interpret muss den wahren Sinn der Nuancen erkennen und seine eigene Interpretation darbieten, dabei jedoch die Erzählung wahren. Bei den Tempi gibt es eine andere Problematik. Dem Orchester erscheinen manche schnellen Tempi ganz offensichtlich. Wenn sie aber genauso am Klavier umgesetzt werden, dann kann man die Komplexität und die Subtilität von Prokofjews Musik nur schwer verstehen.Tatsächlichwähle ichmanchmal etwas langsamereTempi aus.

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