Wie gehen Sie diesen für Fauré typischen Fluss an? Wohin führt er? Es ist ein besonderer Fluss: Fauré trübt oft die Metrik, verwässert die Phrasen, geht über den Taktstrich hinaus, als wollte er ihn abschaffen. Oft muss man sich treiben lassen, sei es von der Flüssigkeit, der Leidenschaft, dem Kampf, der Linderung. Faurés Takt ist nicht mathematisch; der Interpret kann sich darin verirren. Mir war wichtig, stets die Intensität des Gesangs zu stützen, die Spannung innerhalb der Phrasen, die umso größer wird, wenn sie langsam und piano sind. Die darauffolgenden entflammten Momente lösen die Spannung und liefern Sauerstoff. Man möchte auf dem Gipfel bleiben, doch muss wieder hinab, Ruhe und Trost finden, welche die meisten Codas spenden. Fauré beherrschte die unvergleichliche Kunst des Abschlusses. Sei es in der glühenden Neunten Nocturne, deren großes Finale wie die Melodie von La Bonne Chanson „Avant que tu ne t’en ailles“ schließt, in der Coda der fabelhaften Zwölften Nocturne oder dem packenden Drama und letzten Atemzug der Dreizehnten Nocturne, deren Coda meines Erachtens alle anderen übertrifft. Vladimir Jankélévitch, Fauré et l’inexprimable, Plon 1974 *Vladimir Jankélévitch, Le Nocturne, Albin Michel, 1957 45 THÉO FOUCHENNERET
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