42 FAURÉ ∙ NOCTURNES Die Lyrik, ungezwungene Sinnlichkeit und raffinierte Poesie der ersten Nocturnes oder die Schmucklosigkeit, Strenge und Tiefe der letzten: Welche bevorzugen Sie als Interpret? Ich mag sie alle. Vor allem spiele ich sie gern in ihrer Reihenfolge und betrachte sie als Zyklus. Sie beschreiben eine Reise, die Entfaltung eines Innenlebens. Dennoch ist jede von ihnen einzigartig. Ich hänge besonders an den letzten, die nicht so verlockend wie die ersten sind; die Dritte und Vierte rufen Bewegendes in mir wach. Die Vierte ist tröstend: Im Halbdunkel strahlt sie ein Glücksgefühl aus. Die Fünfte war der Favorit des Komponisten und ist außergewöhnlich: Man betrachtet oft ihre Sanftheit und ihren Charme, obwohl sie auch die schmerzliche Strenge enthält, die der Dreizehnten vorgreift. Sie weist eine entwaffnende Merkwürdigkeit und eine ausweichende Poesie auf, die typisch für Faurés Ambivalenz sind, und strömt eine aufregende Sinnlichkeit aus, welche auch in der Sechsten und Achten zu finden ist. Der glühende Mittelteil ist die virtuoseste Passage der Nocturnes. Die Sechste hebt sich durch die besondere Beherrschung und Originalität ihres Stils sowie ihre Ausgewogenheit ab.
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