LDV115-6

29 MICHIAKI UENO Berufen Sie sich auf ein bestimmtes musikalisches Erbe? Ich wurde von meinen Lehrern beeinflusst, darunter Pieter Wispelwey. Seine musikalische Denkweise inspiriert mich noch immer, ebenso wie Pablo Casals’. Dennoch kann ein Interpret nicht aus einer einzigen Tradition schöpfen. Das Wichtigste ist, eine genaue Vorstellung der Erzählung zu haben. Ich gebe zu, dass auch hier der Instinkt über den Regeln steht. Das Wesentliche ist das Wahren der Einheit, der erzählerischen Spannung innerhalb jeder Suite und der Botschaft. Das Spiel im „barocken Stil“ ist eine Illusion, auch wenn man die Grundsätze der „historischen“ Aufführungspraxis kennt. Ich verwende einen modernen Bogen und ein modernes Cello mit umsponnenen Darmsaiten für dieses Repertoire. Auch die Einschätzung der Tempi jedes Tanzes finde ich relativ. In der Tat laufen hier verschiedene Parameter zusammen, darunter die Wahl des Instruments und der Saiten, aber auch der Akustik. Im Übrigen hatte ich das Glück, die Aufnahmen in einer Kirche mit höchst inspirierender Atmosphäre einzuspielen, die sich wunderbar für das Repertoire eignet. Einige Suiten verweisen auf verschiedene Instrumente. So beschwört die Suite Nr. 5 die Timbres der Laute und die Suite Nr. 6 ein fünfsaitiges Violoncello piccolo herauf… Für die Suite Nr. 6 spiele ichmein viersaitiges Cello eines unbekannten italienischen Bauers. Das Instrument ist bemerkenswert beim Spielen von Bach, da es kräftige tiefe Töne und eine sehr gute Klangprojektion aufweist. Die Verwendung von vier statt fünf Saiten bei diesem Werk stellt für alle Cellisten immer eine technische Herausforderung dar. Für mich bleibt es immer äußerst aufregend!

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