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28 BACH | SUITEN FÜR VIOLONCELLO SOLO Scheint Ihnen die Unendlichkeit dieser Musik eine Eigenheit von Bachs Werk? Ich nähere mich Bachs Musik nicht anders als jener zeitgenössischer Tondichter. Die Arbeit der Erkundung und des Erlernens ist identisch, das heißt, ich informiere mich über den Stil, den kulturellen und historischen Kontext des Komponisten und die Partitur. Der einzige Unterschied ist, dass für Bach kein hörbares Zeitzeugnis vorliegt und wir uns die Interpretation vorstellen müssen. Alles ist nur Mutmaßung. Der melodische und rhythmische Reichtum der Suiten vermischt sich oft mit einer hochkomplexen Komposition. Wie gelingt diese Synthese bei der Interpretation? Die Musik enthält derart viele Informationen, dass sie in mir den Eindruck eines wahrhaftigen Puzzles erweckt – noch mehr sogar in den Sonaten und Partiten für Violine solo –, das zahlreiche Fragen aufwirft und viele Kontroversen zwischen Musikwissenschaftlern und Interpreten auslöst. Paradoxerweise, und es erscheint mir noch immer unglaublich, ist das Werk für das Ohr absolut klar. Das bedeutet, dass man es möglichst schlicht und natürlich spielen muss. Ich habe so lange an den Suiten gearbeitet, dass mich beim Spielen mein Instinkt leitet!
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