LDV78.9
54 BEETHOVEN Die französische Schule – vorausgesetzt, dass man sie so nennen darf – dämpft die Gestik der Interpretation. Muss man sich daher verbieten, die in Beethovens Schreibweise enthaltene ausdrucksstarke Gewalt, mit Bewegungen zum Ausdruck zu bringen? Vielleicht wäre es interessant, wenn nicht sogar sinnvoll, die Gewalt der Gestik und die Klanggewalt miteinander zu verbinden. Diese Dimension ist jedoch mit Vorsicht zu handhaben, um jegliche Ausschweifungen zu vermeiden. Dmitri Sitkowetski erzählte mir, dass Richter – bei der Interpretation von David Oistrach und Swjatoslaw Richter der Sonate für Klavier und Violine Nr. 4 von Beethoven – in einem Schlüsselmoment des Werkes eine besonders brutale Bewegung machte. Damit rief er im Publikum einen wahrhaftigen Schock herbei, allerdings einen visuellen Schock, der durch die dramatische Musik gerechtfertigt wurde. Spüren Sie auch eine besondere Dimension in der Stille von Beethovens Musik? Beethoven setzt sie sehr wirksam ein, selbst in seinen frühen Werken – den langsamen Sätzen der Op. 7 undOp. 10, Nr. 3. Das war bei Mozart nicht der Fall, der zu sehr am Leben hing, in all seinen Ausprägungen, vom Glück bis hin zum Tode. Schubert bleibt der unbestrittene Meister der Stille. Je mehr wir in die Zeit der so genannten „Romantik“ kommen, desto bedeutender wird die Präsenz der Stille.
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