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44 Sie haben sich dazu entschieden, die vier Balladen mit dem Prélude op. 45, dem Scherzo Nr. 4 sowie der Barcarolle zusammenzubringen. Wieso gerade diese Ergänzungen? Angesichts der Rolle, die die Balladen seit so langem schon in meiner musikalischen Welt spielen, war es zunächst schon mal ganz klar, dass meine erste Chopin-CD die Balladen beinhalten musste. Ich hätte sie – und andere haben dies getan – durch die vier Scherzi ergänzen können, aber das hatte für mich einen etwas systematischen Anstrich, der mich nicht ganz so begeisterte. Ich habe es vorgezogen, nach den Balladen mit dem vierten Scherzo und der Barcarolle den etwas späteren Chopin zu erforschen. Die Entstehung des Préludes op. 45 wiederum steht zwischen der zweiten und dritten Ballade und dieses Stück erweist sich als äußerst modern. Die letzten Jahre Chopins zeugen von einer außergewöhnlichen Entwicklung der musikalischen Sprache, und von einer Freiheit der Harmonik sowie einer besonderen Feinheit, und all das ist ganz zur Zukunft hin ausgerichtet. So gesehen gehört die vierte Ballade bereits zum späten Chopin, selbst wenn sie nicht ganz dieselbe Farbigkeit des vierten Scherzo oder der Barcarolle besitzt. Sie bleibt dunkler und ist von dramatischerem Charakter. Sie ist den anderen Balladen näher. Betrachten wir nun einmal genauer die einzelnen Teile Ihres Programms und zu allererst die erste Ballade in g-Moll op. 23. Das ist die Epischste der vier, ein wirkliches Epos, und ein noch sehr polnischer Chopin, bekümmert durch die Leiden, die sein Land gerade durchlebt hatte.Aber man kann diese Partitur auchmit denGefühlen inVerbindung bringen, die derAutor fürMariaWodzinska verspürte. Heldentum, Liebe, Leidenschaft: Das Opus 23 – mit seiner unerhörten Coda – ist ein wahrerWindstoß, dasWerk eines feurigen Musikers!Was die Art des Schreibens betrifft, so befinden wir uns noch in der Ausrichtung der „begleiteten Melodie“, die für den jungen Chopin charakteristisch ist. CHOPIN

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